Wie verhalte ich mich beim Freiwasserschwimmen?

 

VERÖFFENTLICHT AM 13. MAI 2020 VON GERALD DYGRYN

 

Aus Liebe zum (Freiwasser)schwimmen

 

Teil 2 – Verhalten im offenen Gewässer

Nachdem ich im ersten Teil auf die Ausrüstung eingegangen bin, will ich mich heute wichtigen Verhaltensregeln und technischen Tipps widmen. Im dritten Teil wird es dann um Trainingstipps gehen. Die Open Water Kurseund Trainings von www.gdt.at, versuchen Techniktraining und Ausdauertraining zu vereinen, um euch das Freiwasserschwimmen näher zu bringen und vor allem zu zeigen, dass es mehr ist, als das pure Kilometerzählen. Warum wir diese anbieten, soll in dem Blog gezeigt werden.

 

Die wichtigsten Regeln fürs Freiwasserschwimmen sind im Wesentlichen von den Baderegeln abzuleiten, die die meisten von uns schon als Kinder bei dem einen oder anderen Schwimmabzeichen gelernt haben. Ich möchte mich deshalb in diesem Blog an die vom österreichischen Wasserrettungswesen vorgegeben Regeln anhalten, sie aber ein wenig fürs Freiwasserschwimmen adaptieren.

Nur gesund schwimmen gehen

 

Wenn du schwimmen gehst, musst du gesund sein. Eine Regel, die in Covid 19 Zeiten noch viel mehr gilt. Bitte übertreibt nicht, hört auf euren Körper und achtet auf eure Gesundheit und die eurer Mitmenschen. Mit Ohrenerkrankungen geht bitte keinesfalls schwimmen.

 

Hinweisschilder beachten – mach dich mit dem Gewässer vertraut

Auch im offenen Gewässer gibt es Hinweisschilder, die euch vor Gefahren warnen, Fischlaichplätze anzeigen oder lokale Gegebenheiten anzeigen. Bitte nimmt diese ernst und haltet euch daran. Macht euch bitte zusätzlich mit dem Gewässer, das ihr benutzt vertraut. Gibt es Boots- oder Schiffsverkehr (in Tourismusgebieten gibt es oft Fahrpläne, an denen man zumindest die Überfuhren von größeren Schiffen erkennen kann), (kalte) Strömungen, Wellen, Algen, Gezeiten, in manchen Gegenden der Erde Haie usw.? Im Meer ist es außerdem nicht ratsam ohne Bootsbegleitung weiter als 200m von der Küste raus zu schwimmen. Boote dürfen dort meist mit voller Geschwindigkeit fahren und schon ganz kleine Wellen von nur 20 cm machen euren Kopf für Boote unsichtbar. Auch der Geschmack von Salzwasser ist wie hoher Wellengang ungewohnt und kann anfangs zu Übelkeit führen.

Achtet auch auf den Ein- und Ausstieg, weil man sich sehr schnell die Füße an scharfen Kanten oder zerbrochenem Glas aufschneiden kann. Zusammenfassend kann man sagen, je besser ihr euch auskennt, umso sicherer seid ihr.

 

Aufwärmen Freiwasser

Körpertemperatur ans Wasser anpassen

Bitte wärmt euch vor dem Schwimmen im Freiwasser entsprechend auf. Auf unseren sozialen Medien, wie z.B. hier in diesem Instagram-Beitrag, haben wir immer wieder Vorschläge für ein schwimmspezifisches Aufwärmen, das sowohl muskulär als auch physiologisch von Bedeutung ist. Wenn ihr mit einem Neoprenanzug schwimmt, so zieht diesen bitte vorher an (vor allem, wenn ihr viel schwitzt), weil es ansonsten schwierig wird in den Anzug reinzukommen. Nach dem Warm Up geht stufenweise ins Wasser und gewöhnt euch an die Temperatur. Flutet den Neopren, damit Wasser zwischen euch und den Anzug kommt und passt ihn dann noch einmal entsprechend an euren Körper an Armen, Beinen und am Hals an. Tipps zur Ausrüstunggab es ja schon im ersten Teil. Im Sommer ist dann die Regel auf entsprechendes Abkühlen u erweitern. Bitte springt nie überhitzt ins offene Gewässer.

 

Kältegefühl beachten

Bleibt nicht im Wasser, wenn euch zu kalt ist. Mit Neoprenanzug passiert dies zwar selten, aber dennoch ist es wichtig, dass man auf seinen Körper hört. Schützt euren Kopf (mit Neokappe oder zusätzlicher Schwimmhaube), bewegt eure Finger und Füße, und bitte überschätzt euch nicht. Vorbelastungen und Kältegefühl können schnell zu Krämpfen führen, die im offenen Gewässer gefährlich sein können.

 

Selbsteinschätzung versus Übermut

Bitte schätzt eure Leistungsfähigkeit richtig und vernünftig ein. Bei unseren Kursen bieten wir in Kleingruppen, oftmals zwei verschiedene Rundengrößen an, die auch für Anfänger des Open Water Schwimmens ohne Probleme zu absolvieren sind. Mit einer starken Gruppe einfach ins tiefe Wasser raus zu schwimmen, sollte man bei Unsicherheit keinesfalls riskieren. Schwimmt lieber in kleinen Runden euer Programm ab. Generell gilt aber, dass es immer besser ist, zumindest mit einem Partner zum Freiwasserschwimmen zu gehen. Ein*e Trainingspartner*in, oder jemand der euch vom Ufer aus beobachtet, sorgt für Sicherheit.

Egal ob ihr alleine oder in der Gruppe schwimmt, das Mitnehmen von Sicherheitsbojen, die man um den Körper hängt und die einen begleiten, sollte ein Muss für jeden Freiwasserschwimmer sein. Sie geben euch die Möglichkeit euch in Erschöpfungsphasen oder bei Krämpfen anzuhalten, erhöhen eure Sichtbarkeit und geben oftmals die Möglichkeit Wertgegenstände mit zu nehmen. Eure Sichtbarkeit wird auch durch das Verwenden von leuchtenden Badekappen erhöht. Solltet ihr lange Strecken überwinden wollen, dann ist eine Begleitung durch eine*n Betreuer*in mittels Stand Up Board, Boot oder Kajak zu empfehlen. So kann zusätzlich auf Verpflegung mitgenommen werden.

 

Passe deine Technik dem Schwimmen im Freiwasser an

Natürlich können wie immer Tipps eines Blogs einen Schwimmkurs nicht wirklich ersetzen. Dennoch will ich versuchen, euch hier ein paar wesentliche Elemente, ohne Anspruch auf Vollständigkeit näher zu bringen.

 

ORIENTIERUNG

Da ja Leinen und Linien am Boden fehlen, müssen wir uns im offenen Gewässer anders orientieren. Dazu kannst du schon im Vorfeld einiges vorbereiten. Zu Hause kannst du mittels Google Maps zum Beispiel Entfernungen messen. Zoome deshalb möglichst nah auf die Karte (als Satellitenbild) heran und suche markante Stellen. Diese kannst du markieren und deren Entfernung zueinander messen. Vor Ort such dir ebenfalls markante Punkte (meist am Ufer), die du vom Wasser aus klar erkennen kannst und deine Richtung vorgeben. Große Häuser, Bäume, Berge oder Talabschnitte helfen da meist sehr gut.

 

Um dich dann im Wasser orientieren zu können, musst du lernen, immer wieder deinen Kopf über die Wasserfläche nach vorne zu heben. Eine fließende Bewegung, wo du zum Beispiel direkt nach der Atmung kurz den Kopf weiter nach vorne hebst, macht die Orientierung effizienter und weniger anstrengend. Versuch diesen Blick alle 5-8 Atemzyklen einzuführen. Wichtig ist, dass deine Geschwindigkeit dabei nicht vermindert wird. Solltest du dennoch die Orientierung verlieren, dann hilft dir der Wasserballzug weiter. Dabei wird der Kopf total aus dem Wasser gehoben. Der Blick geht nach vorne und 4 bis 6 Armzüge werden so geschwommen. Dies ist für den Nacken und die gesamte Stützmuskulatur sehr anstrengend und ist deshalb nur als Notmittel zu empfehlen.

 

Wasserballkraul Freiwasser

Wenn du in der Gruppe schwimmst, hast du zusätzlich die Möglichkeit dich an deinen Partner*innen zu orientieren. Dies kann so geschehen, dass ihr nebeneinander schwimmt und euch beim Atemzug gegenseitig anseht. Dabei ist natürlich dennoch die Orientierung nach vorne nicht zu vergessen. Wenn ihr hintereinander schwimmt, dann kann die/der hintere Schwimmer*in, zusätzlich den Wasserschatten und dessen Energieeinsparpotential genießen. Schwimmt wirklich direkt hinter dem Vordermann, so dass ihr die Luftbläschen seines Beinschlages spürt. Wenn ihr euch abwechselt, so hat einer immer das Orientieren und die andere immer das Wasserschattenschwimmen als Übung zu absolvieren.

 

ARMTECHNIK

Ein Armzug bei dem die Fingerspitzen nahe an der Wasseroberfläche nach vorne gebracht werden, ist für das Freiwasserschwimmen von Nachteil, weil man dabei auch bei leichtem Wellengang immer wieder ins Wasser schlägt. Aus diesem Grund lohnt sich eine Entspannungsphase, bei der die Arme beinahe gestreckt nach vorne gebracht werden. Experimentiere beim Freiwasserschwimmen ein wenig mit deinem Armzug. Baue unterschiedliche Varianten ein und versuch zu spüren, mit welchem du am besten zurechtkommst.

 

ATMUNG

Generell bin ich kein Verfechter des 3er Atemzuges, weil Rhythmus und Energieversorgung das Wichtigste im Schwimmen sind und ich als Trainer gerade im offenen Gewässer oftmals Probleme beim 3er Zug beobachten muss. Dennoch ist es wichtig, dass ihr lernt auf beiden Seiten atmen zu können, um zumindest hie und da auf die andere Seite schauen zu können. Wenn ihr beispielsweise nur rechts atmet und auf der rechten Seite einer Gruppe schwimmt, seht ihr eure Mitstreiter*innen bzw. Konkurrent*innen nicht, was ein großer Nachteil sein könnte. Außerdem ist es wichtig durch verstärkte Körperrotation euren Kopf etwas mehr aus dem Wasser zu drehen, um auch bei Wellengang gut atmen zu können.

 

BEINSCHLAG

Aufgrund der durch den Neoprenanzug erzeigten verbesserten Wasserlage, ist der Beinschlag anzupassen. Die Beine liegen wie gesagt höher, was dazu führt, dass viele Schwimmer*innen zu sehr mit den Beinen aufs statt in das Wasser schlagen. Drückt bewusst euer Becken etwas mehr ins Wasser, damit die Beine tiefer liegen. Das gilt aber vor allem bei Phasen extrem hoher Geschwindigkeit. Ansonsten könnt ihr den Beinschlag auch ein wenig ruhiger angehen lassen. Genießt das Gefühl des Auftriebs im Neoprenanzug und gleitet mal bewusst praktisch ohne Beinschlag wie auf einem Surfbrett.

All die aufgezählten Merkmale des Open Water Swimmings müssen erlernt und oft geübt werden, bevor sie verinnerlicht sind. Aus diesem Grund lohnt es sich aus meiner Sicht jedenfalls einen Kurs bei einem Spezialisten vor Ort zu besuchen bzw. zumindest einmal in der Woche Technikelemente in eure Einheit einzubauen. Im dritten Teil werde ich dann an Hand von ausgewählten Trainingsbeispielen auch auf Übungen eingehen.

Bis dahin wünsche ich euch viel Spaß beim Erlebnis Freiwasserschwimmen

 

Euer, Gerald